700 Jahre alter Olivenbaum auf Oscars Betrieb.

Was lange währt, schmeckt richtig gut

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Oscar Bis­cot­ti erzeugt bes­tes Oli­ven­öl in Süd­ita­li­en. Mit sei­ner Frau Lucre­zia bewirt­schaf­tet er am Gar­ga­no eine Mes­se­ria mit „Agri­tu­ris­mo“. Pro­Hekt­ar hat nach­ge­fragt, was es im Oli­ven­an­bau gene­rell zu beach­ten gilt.

Die cha­rak­te­ris­ti­schen Küs­ten­wach­tür­me aus dem Mit­tel­al­ter spie­geln die wech­sel­vol­le Geschich­te Apu­li­ens wider. Unweit der Klein­stadt Peschi­ci fin­det sich, inmit­ten eines Oli­ven­hains, eben ein sol­cher Wehr­turm namens „Tor­re dei Pre­ti“. Über vie­le Jah­re däm­mer­te der bau­fäl­li­ge Gebäu­de­kom­plex wie im Dorn­rös­chen­schlaf vor sich hin, bis Oscar Mit­te der 2000er Jah­re kam und das Anwe­sen samt 1500 Oli­ven­bäu­men auf knapp 27 Hekt­ar Grund kauf­te. „Vie­le mei­ner Ver­wand­ten sind einst in den Nor­den aus­ge­wan­dert. Mein Vater ent­schloss sich jedoch in den 1960ern zur Rück­kehr nach Peschi­ci, grün­de­te ein Restau­rant und spä­ter sogar ein Hotel“, erzähl­te der heu­te 53-Jäh­ri­ge. Auch die Fami­lie von Lucre­zia und sie selbst arbei­tet im Tou­ris­mus.

Inspi­riert von der Idee, etwas Neu­es zu schaf­fen, das die boden­stän­di­ge Kul­tur und Nach­hal­tig­keit ver­bin­det – „etwas wo Urlau­ber ihre Ruhe in der Natur genie­ßen kön­nen“ – stand den bei­den zunächst sehr viel Arbeit bevor. Vie­le Jahr­hun­der­te alt war nicht nur die his­to­ri­sche Bau­sub­stanz, son­dern auch eine gro­ße Anzahl an Oli­ven­bäu­men – der Ältes­te wird sogar auf ein Alter von 700 Jah­ren geschätzt. Die Bis­cot­tis mach­ten es sich zur Auf­ga­be, alles aus dem ver­wahr­los­ten Zustand wie­der­her­zu­stel­len. Allein die Rekul­ti­vie­rung der Bäu­me, des Obst- und Gemü­se­gar­tens nahm gan­ze zwei Jah­re in Anspruch. Ende 2006 wag­ten sie mit „Agri­tu­ris­mo“ oder „Urlaub am Bau­ern­hof“ den nächs­ten gro­ßen Schritt.

In gewis­ser Wei­se erin­nert der Bestand an alte Bäu­me auf einer Streu­obst­wie­se. Zual­ler­erst waren eine Rei­he an wich­ti­gen Pfle­ge­maß­nah­men und Rück­schnit­te der Oli­ven­bäu­me not­wen­dig. Weil es sich bei der Sor­te „Oglia­ro­la Gar­ga­ni­ca“ um eine sel­te­ne und alte Varie­tät aus dem Gar­ga­no han­delt, hol­te sich Oscar davor die Fach­ex­per­ti­se von Bera­tern ein. Der gro­ße Auf­wand hat sich gelohnt, mitt­ler­wei­le konn­te er die Jah­res­pro­duk­ti­on von anfangs 2000 auf mitt­ler­wei­le 12.000 Liter Bio-Oli­ven­öl „extra ver­gi­ne“ aus­bau­en. Auf moder­nen Inten­siv-Plan­ta­gen sei der Hekt­ar­er­trag oft mehr als dop­pelt so hoch. „Unser selbst erzeug­tes Öl, aber auch unser Obst und Gemü­se aus dem Gar­ten, fin­det in ers­ter Linie Ver­wen­dung im haus­ei­ge­nen Restau­rant. Unser Oli­ven­öl ver­kau­fen wir auch direkt an unse­re Haus­gäs­te. Inzwi­schen zäh­len zu unse­rem Kun­den­stamm sogar eini­ge Stamm­kun­den, die extra zu uns kom­men, um unser Oli­ven­öl zu kau­fen“, berich­tet Oscar sicht­lich stolz.

Genossenschaften gibt es in Süditalien nicht

Auf die Fra­ge, war­um er sei­ne Ern­te nicht an eine Genos­sen­schaft lie­fert, bedau­ert er, dass die Süd­ita­lie­ner lei­der ohne sol­che Agrar­ko­ope­ra­tio­nen aus­kom­men müs­sen: „Jeder Bau­er pro­du­ziert selbst und muss sich auch um den Ver­kauf sei­ner eige­nen Ware küm­mern. Das schwächt uns in vie­ler­lei Hin­sicht. In Nord­ita­li­en, dort wo sie Äpfel pro­du­zie­ren, ist es anders. Dort gibt es diver­se Kon­sor­ti­en, die den Ver­kauf erleich­tern. Es ist sehr scha­de, dass es bei uns im Süden so etwas nicht gibt. Es wür­de unse­re Bau­ern sicher stär­ken.“

An den Han­del will Oscar sein Oli­ven­öl nicht ver­kau­fen, weil er nicht zu den von die­sem dik­tier­ten nied­ri­gen Prei­sen pro­du­zie­ren kön­ne. „Bei mei­nen hohen Pro­duk­ti­ons­kos­ten geht es sich rein wirt­schaft­lich nicht aus.“ Er müss­te dazu sei­ne Ware an einen regio­na­len Zwi­schen­händ­ler ver­kau­fen, der den Ein­kaufs­preis bestimmt. Mit einem mög­lichst gerin­gen Ein­kaufs­preis kön­ne der Zwi­schen­händ­ler eine attrak­ti­ve Mar­ge abschöp­fen, bevor er das Öl an den Han­del wei­ter­ge­be, so der Oli­ven­pro­du­zent. „Vie­le Bau­ern, die kei­nen Zusatz­ver­dienst haben, so wie wir mit Agri­tou­ris­mo, müs­sen schlicht­weg ihren Grund und Boden ver­kau­fen. Dass das betriebs­wirt­schaft­lich nicht nach­hal­tig ist, ver­steht sich von selbst.“

Produktion unter der prallen Sonne

Von einem wei­te­ren Pro­blem, der welt­wei­ten Kli­ma­ver­än­de­rung, blie­ben im Hit­ze­re­kord­som­mer 2022 auch gro­ße Tei­le Ita­li­ens nicht ver­schont. Oscar erklärt: „In Apu­li­en sind die Fol­gen der Tro­cken­heit weni­ger schlimm oder ein­fach anders, weil die Bau­ern immer schon Pflan­zen kul­ti­viert haben, die bes­ser auf tro­cke­nem Boden gedei­hen. Oli­ven, Fei­gen oder Wein­trau­ben wach­sen bei gro­ßer Hit­ze so gut, wie immer. Wenn aber etwa der Fluss Po im Nor­den fast aus­trock­net, dann führt das unwei­ger­lich zu einer Ver­knap­pung von Agrar­gü­tern. Weil wir viel aus dem Nor­den bezie­hen, wer­den die höhe­ren Prei­se gleich mit­ge­lie­fert.“

Nahe der Stadt Peschi­ci wird der tra­di­tio­nel­le Oli­ven­an­bau von Fami­lie Bis­cot­ti fort­ge­setzt.

Weil im Süd­os­ten Ita­li­ens Som­mer­hit­ze bis­her kein sel­te­nes Wet­ter­phä­no­men war, mache sich das ver­än­der­te Kli­ma nur inso­fern bemerk­bar, als dass die Ern­te mitt­ler­wei­le um unge­fähr 20 Tage frü­her begin­ne als frü­her, so der Land­wirt: „Damals begann die Ern­te erst im Novem­ber. Jetzt geht es meist schon um den 20. Okto­ber los. Unse­re Oli­ven wer­den ein­fach zei­ti­ger reif als frü­her.“ Bis­cot­ti zufol­ge ver­fü­ge Peschi­ci aber über aus­rei­chend Trink­was­ser.

Für die Bewäs­se­rung kommt Grund­was­ser zum Ein­satz, das aber nur für Gemü­se und die Blu­men genutzt wird. Nicht bewäs­sert wer­den hin­ge­gen die Oli­ven­bäu­me, die an die Tro­cken­heit ange­passt sind. „Zu viel Näs­se zum fal­schen Zeit­punkt hät­te sogar fata­le Fol­gen für die Bäu­me. Hohe Tem­pe­ra­tu­ren sind sogar för­der­lich für Baum und Frucht, denn sie hem­men patho­ge­ne Krank­heits­er­re­ger, die durch diver­se pflan­zen­saft­saufen­de Insek­ten, wie Zika­den, über­tra­gen wer­den.“ Vom ein­ge­schlepp­ten Feu­er­bak­te­ri­um Xylel­la fas­tidio­sa blie­ben Oscars Bäu­me zum Glück noch ver­schont.

„In Apulien ist die Trockenheit weniger schlimm. Die Bauern haben immer schon Pflanzen kultiviert, die besser auf trockenem Boden gedeihen.“ Oscar Biscotti

Was die hohen Prei­se betrifft, tref­fen Oskar beson­ders die Die­sel­kos­ten für Trak­tor und land­wirt­schaft­li­che Maschi­nen. Die­se hät­ten sich um gut 100 Pro­zent erhöht. Heu­er sei er selbst wegen der Roh­stoff­prei­se mit der Kos­ten­kal­ku­la­ti­on „am Limit“. Hin­zu kämen die Per­so­nal­kos­ten in der Urlaubs­sai­son. Von Mai bis Sep­tem­ber sind bei „Tor­re dei Pre­ti“ neun Ange­stell­te in der Küche und für die Zim­mer­rei­ni­gung ange­stellt. Dazu kom­men noch zwi­schen zehn und 15 Hilfs­kräf­te zur Haupt­ern­te­zeit. Sei­ne bäu­er­li­chen Berufs­kol­le­gen haben ihm berich­tet, dass auch Tier­fut­ter, Dün­ger und Pflan­zen­schutz­mit­tel um das zwei- bis drei­fa­che gestie­gen sei­en. „Es ist im Moment sehr schwie­rig für alle Bau­ern hier“, klagt der Bio-Erzeu­ger.

Kritik an der Geschäftemacherei mit der Herkunft

Mehr Trans­pa­renz ent­lang der Lie­fer­ket­te ist ein bri­san­tes The­ma, das die Land­wir­te auch sehr weit im Süden Ita­li­ens beschäf­tigt. Allein in Apu­li­en, das flä­chen­mä­ßig fast so groß wie Nie­der­ös­ter­reich ist, wird gut 60 Pro­zent des gesam­ten ita­lie­ni­schen Oli­ven­öls erzeugt. In Süd­ita­li­en gibt es mit mehr als 200 Sor­ten eine enor­me gene­ti­sche Viel­falt an Oli­ven­pflan­zen. Nicht unähn­lich dem Wein­bau, unter­schei­det sich jede Sor­te von­ein­an­der, es kommt auch beim Geschmack auf die Lage und den Boden an. „Dar­um schmeckt Oli­ven­öl aus Sizi­li­en anders als aus Kam­pa­ni­en, sogar inner­halb der Regi­on Apu­li­en gibt es Unter­schie­de“, weiß Oscar.

Oli­ven­öl „Made in Ita­ly“ lässt sich immer­hin welt­weit sehr gut ver­mark­ten. Gleich­zei­tig ist Ita­li­en bei Oli­ven­öl aber auch Import-Welt­meis­ter. Das hat zur Fol­ge, dass auf den Fla­schen und Dosen im Super­markt „Abge­füllt in Ita­li­en“ zu lesen ist. Zum Nach­teil der klei­nen Pro­du­zen­ten stammt die­ses Öl meist aus Spa­ni­en, Tune­si­en oder Marok­ko, wo zu Nied­rigst­prei­sen pro­du­ziert wird. Die­se Vor­gän­ge sei­en nur schwer zu durch­schau­en und im schlimms­ten Fall wer­de Öl mit ande­ren Stof­fen ver­schnit­ten und mit einer grün-weiß-roten Tri­co­lor-Ban­de­ro­le wei­ter­ver­kauft, ärgert sich Oscar. Mit einem regio­na­len Qua­li­täts­pro­dukt habe das nichts zu tun, sagt Oscar Bis­cot­ti. Er ist von der klein­struk­tu­rier­ten Land­be­wirt­schaf­tung jeden­falls abso­lut über­zeugt: „Das schmeckt man schon im Geschmack.“

Die lang­le­bi­gen Bäu­me der Sor­te „Oglia­ro­la Gar­ga­ni­ca“ aus dem Gar­ga­no.

Fotos: Artur Riegler/ProHektar

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