Green Care hat sich mittlerweile als ein ernst zu nehmender Betriebszweig etabliert, weil es für viele Bäuerinnen und Bauern Chancen zur persönlichen beruflichen Entfaltung sowie vielfältige Perspektive auf wirtschaftlichen Erfolg bietet. So etwa mit waldpädagogischen Angeboten wie am Biobauernhof Ertlthal, einem neuen Bildungsort für Jung und Alt.
Der Slogan „Green Care – Wo Menschen aufblühen“ steht für eine ganze Reihe von unterschiedlichen Aktivitäten mit Menschen, Tieren und Natur. Zu den wichtigsten Zielen der „grünen Pflege“, so die wörtliche Übersetzung, zählen gesundheitsfördernde, pädagogische oder soziale Leistungen, die von aktiven Bäuerinnen und Bauern angeboten werden. So nehmen in Österreich schon nahezu 100 Betriebe mit zumindest einem Angebot teil. Sofern es für den jeweiligen Bauernhof infrage kommt, sind selbstverständlich auch eine Kombination verschiedener Dienstleistungen möglich. In den meisten Tätigkeitsfeldern arbeiten land- und forstwirtschaftliche Green Care-Bauernhöfe mit einem anerkannten Sozialträger, wie beispielsweise Caritas, Diakonie, Hilfswerk oder Lebenshilfe zusammen. In seltenen Fällen fungiert der Hof selbst als Sozialträger.
Eingebunden in einem eigens entwickelten Betriebsentwicklungsprozess und im Rahmen des österreichischen Programms für ländliche Entwicklung (ELER) kofinanziert, bietet das Team des Vereins Green Care Österreich individuelle und auf den jeweiligen Hof zugeschnittene Hilfe an. Die Unterstützung startet bereits bei der ersten Projektidee. Hernach werden die Landwirtinnen und Landwirte während der Projektumsetzung über die Zertifizierung hin bis zur Evaluation und Weiterbildung bestens begleitet.
Wer Interesse hat, dem stehen zwölf definierte und zu zertifizierende Geltungsbereiche zur Auswahl. Für die Angebote Auszeithof, Hofzeit, Gartenhof, Tiergestützte Intervention am Hof sowie Tiererlebnis am Hof bildet ein speziell konzipierter LFI-Lehrgang die fachkundige Grundlage. Darüber hinaus können Bauernhöfe soziale Dienstleistungen anbieten, die es in ihrer Grundform auch ohne Green Care gibt, zum Beispiel Kinderbetreuung am Hof, eine Werkstätte für Menschen mit Behinderung oder ein Tageszentrum für ältere Menschen. Selbstverständlich müssen für diese Angebote nicht nur die räumlichen Voraussetzungen gegeben sein, sondern auch alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. So muss ein Kindergarten am Bauernhof denselben Qualitätsanforderungen genügen wie ein regulärer Kindergarten – er bietet darüber hinaus aber das einmalige Umfeld eines Bauernhofs mit der Möglichkeit, Natur und Tiere hautnah zu erleben.
Erlebnis und Abenteuer am Bio-Bauernhof Hinterramskogler
Neu im Kreise der Green Care-Betriebe ist seit März dieses Jahres der Hof Ertlthal in Hollenstein an der Ybbs im niederösterreichischen Mostviertel. Inmitten der landschaftlich einzigartigen Region Eisenwurzen vermitteln Bettina (39) und Josef (42) Hinterramskogler die Grundwerte des bäuerlichen Berufs an interessierte Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit jeder Menge Herzblut und Elan. Auf dem Bio-Milchviehbetrieb, der 20 Hektar Grünland und 52 Hektar Forst umfasst, finden die Besucherinnen und Besucher ein naturnahes Bildungs- und Erlebnisumfeld. Wer nach Hollenstein kommen möchte, sollte auf jeden Fall ausreichend Zeit einplanen. Für eine Tour vergehen drei bis vier Stunden wie im Flug, wissen begeisterte Gäste zu berichten. Für ausreichend Stoff ist allemal gesorgt: Ganz einfach in erlebnisreiche Angebote eintauchen, bäuerliche Land- und Forstwirtschaft mit allen Sinnen erleben sowie die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt erkunden.
Schule am Bauernhof und jetzt auch „Green Care“
Schon seit dem Jahr 2017 begrüßen Bettina und Josef Kinder und Schulklassen im Zuge des Projekts „Schule am Bauernhof“ bei sich zu Hause. Hier bieten sie allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel Wissen zu land- und forstwirtschaftlichen Themen, ökologischen Zusammenhängen und geben praxisorientierte Einblicke in den bäuerlichen Alltag. Auch der Wald ist Teil des geführten Programms, wo die Besucherinnen und Besucher zu verschiedenen Stationen wandern. Bettina, sie ist Bäuerin, zertifizierte Waldbadentrainerin und Waldpädagogin, berichtet, dass sie das Tagesprogramm auf individuelle Bedürfnisse gestaltet.
Offenheit, sicheres Auftreten, Geduld, Organisationstalent und Belastbarkeit zählen zu Bettinas persönlichen Eigenschaften. Ihre Ausbildung an der Gastgewerbeschule am Judenplatz in Wien sowie ihre einschlägige Berufserfahrung im Tourismus kommen ihr im Umgang mit Menschen sicherlich zugute. Nachdem sie ihren Mann kennengelernt hatte, hat sich „Schule am Bauernhof“ ganz einfach als zusätzliches Betriebseinkommen ergeben. „Je mehr Standbeine, umso besser ist es“, weiß Bettina zu berichten und erzählt: „Wir haben drei Kinder, die sich glücklicherweise für Landwirtschaft interessieren. Klarerweise sehe ich es als einen Vorteil, wenn wir einmal einen Betrieb übergeben dürfen, der gut rennt.“
„Wir wollen Kindern und Erwachsenen ganz einfach den Wald näherbringen.“ Bettina Hinterramskogler
Sehr gut ergänzen sich beide auch als Team: Landwirt Josef bringt nämlich als Meister der Forstwirtschaft, Praxislehrer in einer Landwirtschaftsschule und als Waldpädagoge in Ausbildung die nötige Expertise mit, um das fachliche Wissen zu vermitteln. Im Mittelpunkt behalten die Green Care-Einsteiger das Angebotsspektrum Bildung und Freizeit am Hof. „Wir wollen Kindern und Erwachsenen ganz einfach den Wald näherbringen“, erklärt Bettina. Während Schule am Bauernhof speziell für Schulkassen ausgerichtet ist, soll zukünftig der Themenkreis „Lebensraum Wald“ auch für die Zielgruppe der Erwachsenen weiterentwickelt werden.
Worum geht es am Ertlthal-Hof?
„Bei uns kommt immer wieder etwas Neues dazu. Zwergerlwald, Waldboot, Hirschbadewanne oder die vielen Wildfährten und Baumarten sind besonders für Kinder immer ein spannendes Erlebnis“, so die Waldpädagogin und sie sprudelt sprichwörtlich über vor neuen Ideen für alle Altersgruppen: „Individuell angepasste Workshops, Mutter-Kind-Treffen, Geburtstagsfeiern, Familiennachmittage, geführte Waldspaziergänge und Exkursionen hin bis zum Ferienprogramm für die Gemeinde können als Angebot angefragt werden. Wir versuchen auch speziellen Anforderungen, beispielsweise von Rollstuhlfahrern oder älteren Menschen, bestmöglich Rechnung zu tragen. Das Schöne an Green Care sind die zahlreichen Möglichkeiten für den Betrieb, die auch individuell angepasst werden können“, schwärmt Bettina, die Green Care keinesfalls als reines Hobby verstanden haben möchte. Es gebe sogar Betriebe, die ihr Haupteinkommen daraus beziehen. Für die Hinterramskoglers stehen jedoch auch weitere Qualitäten im Vordergrund: „Das zusätzliche Betriebseinkommen ist natürlich angenehm. Ganz besonders wichtig ist mir jedoch, dass ich das ganze Jahr über am Hof arbeiten und bei meinen Kindern zu Hause bleiben kann, solange ich es für richtig halte. Wir sind unsere eigenen Chefs und das schätze ich schon sehr.“
Eine Empfehlung für interessierte Bauern hat Bettina auch: „Man muss wirklich mit Herzblut immer dabei sein, die Vorbereitungen sind nicht zu vernachlässigen und es gibt viel Arbeit im Hintergrund zu beachten. Große Klassen können anstrengend sein oder von Erwachsenen, die der Landwirtschaft vielleicht negativ gegenüber stehen, darf man sich nicht unterkriegen lassen. Wer motiviert ist, bekommt auch ganz viel Dank zurück.“ Ist also Green Care die Lösung aller Probleme? „Nein“, antwortete Bettina, aber Green Care tue vielen Menschen sehr gut. Als gutes Beispiel führt sie die Tiergestützte Pädagogik und Therapie am Hof an. Auch wenn am Ertlthal-Hof keine therapeutischen Ziele verfolgt werden, hat Bettina schon oft Besucher beim Streicheln von Katzen, Hasen oder Ziegen beobachtet. „Die wollen einfach runter vom Stress und kommen, um dem Alltag zu entfliehen. Wir sind eingebettet in einem kleinen Tal, ohne Lärm oder Straßenverkehr. Die Kleinen erleben einen gewissen Grad an Freiheit und können einfach einmal nur Kind sein.“
Wie kann Green Care noch besser werden?
Anstelle konkreter Verbesserungsvorschläge möchte Bettina die Diversifizierung als Chance für die kleinstrukturierte Landwirtschaft hervorheben. Es sollten einfach mehr Bauern für Green Care motiviert werden. Erfreulich ist, dass die Anzahl der Green Care-Betriebe österreichweit im Steigen begriffen ist. „Gerade in Niederösterreich gibt es sehr viele verschiedene Höfe. Diese sollten auch ans Licht geholt und präsentiert werden“, hält Bettina abschließend fest.
Ertlthal-Hof
Bettina und Josef Hinterramskogler,
Thalbauer 2, 3342 Hollenstein/Ybbs.
Kontakt: 0664/730 62 615
Green Care Österreich
Gumpendorfer Straße 15/1/1,
1060 Wien.
Kontakt: 01/58 79 528 30
www.greencare-oe.at
Fotos: Fotogruber