Eine Junglandwirtin macht auf Social Media auf die geringe Wertschätzung gegenüber Landwirtinnen aufmerksam. Gesa Ramme ist selbst als Hofnachfolgerin am elterlichen Ackerbau‑, Geflügel- und Rinderbetrieb im niedersächsischen Kästorf angestellt und berichtet aus erster Hand.
Als sie als älteste Tochter des Betriebsführers auf die Welt kam, merkte ein Bekannter der Familie an: „Na, dann dürft ihr ja nochmal.“ Schließlich gehe es darum, die Hofnachfolge am Betrieb zu sichern, und da denken viele Landwirte müsse doch ein Sohn her, oder? Das soll bereits ein Vorgeschmack des Sexismus sein, mit dem Gesa heute zu kämpfen hat.
Mittlerweile hat Gesa einen Bruder. Er lebt allerdings in der Stadt und kann sich ein künftiges Leben am elterlichen Hof nicht vorstellen. Den bewirtschaftet jetzt die 30-Jährige und übernimmt sämtliche Arbeiten ihres Vaters. Trotzdem tauchen immer wieder ungewollte Fragen von betriebsfremden Personen auf, etwa „ob sie denn auch den großen Traktor fahre“. Fragen wie diese zeigen, dass sie wegen ihres Geschlechts nicht als vollwertige Arbeitskraft oder gar als Hofnachfolgerin gesehen wird. Gesa meint, dieses Klischee könne Frauen abschrecken, in den Beruf einzusteigen, wenn diese immer wieder von ihren männlichen Berufskollegen abgewertet oder schief angeschaut werden. Die Junglandwirtin befürchtet, mancher Betrieb hätte dadurch ein Nachfolgeproblem, welches im konservativen Denken mancher Männer zu verorten ist.
Dieses Bild spiegelt sich auch in den Zahlen von CEJA, dem Europäischen Rat für Junglandwirte, wider. Demnach sind in den EU-27 nur zehn Prozent der Landwirtinnen und Landwirte unter 40 Jahre alt – und davon sind nur fünf Prozent Frauen. Auch in Österreich wird Gesas Bild von Sexismus in der Branche von Landwirtinnen bestätigt.
„Wo ist denn der Chef?“ Immer wieder kommen betriebsfremde Personen zur Betriebsführerin und suchen vergebens einen Mann, welcher den Betrieb managt. Auch in Gesprächen oder auf landwirtschaftlichen Messen wird Frauen mit jahrelanger Berufserfahrung erklärt, was ein Pflug sei. Ebendiese klagen auch über Bevormundung und dass etwa betriebsfremde Personen ungefragt meinen, der „Frau in Nöten“ helfen oder ihr Ratschläge geben zu müssen. Die Folge? Der (Jung-)Bäuerin wird im Vorfeld ihre Kompetenz abgesprochen.
Fakt ist, dass Frauen am Hof oft (mindestens) dieselbe Berufserfahrung und Ausbildung vorzuweisen haben wie die Männer. Frauen können die Arbeit auf einem landwirtschaftlichen Betrieb selbst bestmöglich bewerkstelligen – wenn auch manchmal auf eine andere Art und Weise. Bevormundungen oder ungefragte (grundsätzlich nett gemeinte) Hilfestellungen sind fehl am Platz, sie behindern im schlimmsten Fall sogar die Arbeit. In dieser Situation sollte man sich bewusst die Frage stellen, ob man einen Mann genauso behandeln würde? Natürlich passiert viel unbewusst und ohne Böswilligkeit. Was Frauen vielmehr erwarten: Landwirtinnen, die frühmorgens aufstehen, die mit der Feldspritze fahren, Kühe melken, bis spätabends noch grubbern oder einen Baum fällen, sollen genauso ernst genommen werden wie ihre männlichen Berufskollegen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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