Philipp Burger: Mit der Landwirtschaft verbindet er Werte, die ihm wichtig sind.

Freiheit mit Narben

Aktuell Menschen

Wo muss man abbie­gen, damit man in eine rechts­extre­me Sze­ne abrutscht? Und wie kommt man aus die­ser wie­der raus? Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen lie­fert der Süd­ti­ro­ler Land­wirt Phil­ipp Bur­ger im Buch „Frei­heit mit Nar­ben — Mein Weg von rechts nach über­all“.

Bau­er, Zim­mer­mann, Fischer, Ehe­mann und Vater von zwei Töch­tern, aber auch Sän­ger und Gitar­rist der deutsch­spra­chi­gen Rock­band Frei.Wild. All das ver­eint Phil­ipp Bur­ger als Mensch in einer Per­son. Sei­nen Wer­de­gang zu sei­nem jet­zi­gen Selbst ver­ar­bei­tet Bur­ger in sei­ner kürz­lich erschie­ne­nen Auto­bio­gra­fie.

Auf rund 400 Sei­ten erzählt der Süd­ti­ro­ler von den schöns­ten Momen­ten sei­nes viel­schich­ti­gen Lebens. Er beleuch­tet aber auch sei­ne dun­kels­ten Stun­den. Von einer behü­te­ten Kind­heit samt gutem Eltern­haus rein in eine rechts­ra­di­ka­le Skin­head-Rock­sze­ne und wie­der raus. Von Depres­sio­nen und Burn-out, aber auch vom Zau­ber des Vater­wer­dens. Bur­ger ist dabei kein gro­ßer phi­lo­so­phi­scher Den­ker, viel­mehr zeigt er auf, wel­che Kom­ple­xi­tät in jeder­mann ste­cken kann.

Bur­ger wuchs in geord­ne­ten Ver­hält­nis­sen auf. Umso ver­wun­der­li­cher scheint es, dass gera­de jemand wie er sich in einem rechts­ra­di­ka­len Umfeld wie­der­fand. Dabei schreibt er immer wie­der davon, wie jeder Weg­be­glei­ter und jedes Ereig­nis in sei­nem Leben Ein­fluss auf sei­nen Wer­de­gang nimmt – ohne dabei auf die eige­ne Ver­ant­wor­tung zu ver­ges­sen. „Viel­leicht ist es das rich­ti­ge Buch zur genau rich­ti­gen Zeit“, sagt Bur­ger über sei­ne Auto­bio­gra­fie. Aber viel­leicht hät­te es schon frü­her ein Mus­ter­bei­spiel gebraucht, wie sich Men­schen im Lau­fe der Zeit wan­deln kön­nen. Heu­te macht er kei­nen Hehl dar­aus und bezeich­net die­se Pha­se als „die beschis­sens­te Zeit“ in sei­nem Leben. Ein wich­ti­ger Moment für sei­nen Aus­stieg fand wäh­rend sei­ner Zeit im Zivil­dienst statt, der ihn zum Umden­ken brach­te.

Jah­re spä­ter wird Bur­ger, zusam­men mit sei­ner Band Frei.Wild, von Jour­na­lis­ten auf­grund die­ser Zeit in ein rechts­extre­mes Eck gestellt und in einem Atem­zug mit Neo­na­zi-Bands in Ver­bin­dung gebracht. Die Grup­pe wird von Kon­zer­ten und Preis­ver­lei­hun­gen aus­ge­la­den. Dabei bedau­ert er, dass kaum jemand bereit gewe­sen wäre, mit ihm über sei­ne Per­son und ver­meint­lich pro­ble­ma­ti­sche Text­stel­len von deren Lie­dern zu spre­chen. In vie­len Stel­len des Buches bereut er sei­ne Zeit in der Sze­ne und distan­ziert sich von ihr. Bur­ger stellt aber auch den Umgang mit Außen­sei­tern infra­ge. Wie soll man mit Men­schen umge­hen, deren Wer­te­kom­pass in eine extre­mis­ti­sche Rich­tung zeigt? Er selbst ist der fes­ten Über­zeu­gung, dass man Men­schen wie ihm nicht mit Ableh­nung begeg­nen soll­te, da dies eher eine „Trotz-Reak­ti­on“ aus­lö­sen und ver­stär­ken wür­de. Viel wich­ti­ger sei es, den Dia­log zu suchen, um sie wie­der in die Mit­te der Gesell­schaft zurück­zu­ho­len.

„Heimat bedeutet für mich für etwas zu sein und nicht gegen.“ Philipp Burger

Sein „Tölz­l­hof“ steht in Bri­xen. Mit der Land­wirt­schaft ver­bin­det er Wer­te, die ihm wich­tig sind. Etwa das Erhal­ten von Alt­be­währ­tem. Beson­ders stolz ist er dabei auf sei­ne Pus­ter­ta­ler Sprin­zen, eine vom Aus­ster­ben bedroh­te Rin­der­ras­se. Sein Hof gehört zu einem von sie­ben „ArcheHof“-Betrieben in Süd­ti­rol. Bur­ger bewahrt damit etwas, das ihm wich­tig ist. Genau­so, wie ihm sei­ne Hei­mat und sei­ne Wur­zeln am Her­zen lie­gen. Damit zeigt er sich als kon­ser­va­ti­ver Mann, der in sei­nem Buch auch die Wich­tig­keit sei­nes katho­li­schen Glau­bens her­aus­streicht. Sein Kon­ser­va­ti­vis­mus macht Bur­ger de fac­to „rechts“. Doch „rechts“ bedeu­te nicht zwangs­läu­fig, Men­schen zu ver­ach­ten. Er beschreibt es im Buch damit, dass sei­ne Lie­be zur Hei­mat „ein ‚Für‘ das Eige­ne ist und kein ‚Gegen‘ das Ande­re ist“.

Hier zeigt sich einer­seits, dass Phil­ipp Bur­ger in ers­ter Linie ein Mensch wie jeder ande­re ist und kein gro­ßer poli­ti­scher oder phi­lo­so­phi­scher Den­ker. Und auch, dass die Begrif­fe „links“ und „rechts“ inner­halb des gesell­schaft­li­chen Dis­kur­ses mora­lisch behaf­tet sind.

„Um Jugendliche zurückzuerobern, muss man ihnen Brücken zeigen, über die sie in eine bessere Richtung gehen können.“ Philipp Burger

Das Buch punk­tet aller­dings andern­orts. Beson­ders für jun­ge Men­schen kann Phil­ipp Bur­ger als Bei­spiel dafür her­hal­ten, wie man sich im Lau­fe des Lebens stän­dig wei­ter­ent­wi­ckeln kann. Erwach­sen­wer­den ist kein Pro­zess, der mit Errei­chen der Voll­jäh­rig­keit abge­schlos­sen ist. Ver­schie­de­ne Weg­be­glei­ter und Ereig­nis­se brin­gen die Ent­wick­lung des Cha­rak­ters vor­an. Ob man dem Sän­ger sei­nen Wan­del vom Rechts­extre­men zum gemä­ßig­ten Kon­ser­va­ti­ven Glau­ben schen­ken mag oder nicht, bleibt dem Leser letzt­lich selbst über­las­sen. Sein Buch hat zumin­dest auf Anhieb den Sprung auf Platz eins der Spie­gel-Best­sel­ler­lis­te geschafft.

www.kampenwand-verlag.de

„Frei­heit mit Nar­ben“, Phil­ipp Bur­ger, Ver­lag Kam­pen­wand, 26,50 Euro. ISBN: 9783986600921

Fotos: www.freiheitmitnarben.com, Kam­pen­wand-Ver­lag

Tagged