Alleine mit Biomethan aus Biogas und Holzgas könnte Österreich mittelfristig 30 Prozent des Gasbedarfs decken.

Misthaufen statt Bohrturm

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Dass Erd­gas irgend­wann Geschich­te sein wird, ist unbe­strit­ten. Aber blei­ben wird der Bedarf an Ener­gie. Bio­gas wird nun wie­der inter­es­sant, vor allem für Tier­hal­ter.

Bin­nen acht Jah­ren sol­len die leis­tungs­stär­ke­ren der 260 bereits bestehen­den Bio­gas-Anla­gen, neue Bio­gas-Anla­gen sowie Anla­gen für Holz­gas- und Was­ser­stoff­pro­duk­ti­on das rund 50-Fache an erneu­er­ba­ren Gasen pro­du­zie­ren, als noch 2021 erzeugt wur­de. Die Chan­ce ist da, meint Franz Kirchmeyr vom Kom­post & Bio­gas Ver­band: „Allei­ne mit Bio­me­than aus Bio­gas und Holz­gas könn­te Öster­reich mit­tel­fris­tig 30 Pro­zent des Gas­be­darfs decken.“ War­um die Bun­des­re­gie­rung so plötz­lich auf „Mist­hau­fen statt Bohr­tür­me“ setzt, wie rea­lis­tisch die­ses Ziel ist und was Betrei­bern von bestehen­den Anla­gen nun vor­schwebt, hat Pro­Hekt­ar recher­chiert.

Lange in der Pipeline

Bis­lang schei­ter­te der Aus­bau von Bio­gas-Anla­gen am feh­len­den Gesetz und an Wett­be­werbs­nach­tei­len gegen­über fos­si­lem Erd­gas. Es herrsch­te eine regel­rech­te Flau­te bei den Inves­ti­tio­nen. Russ­lands Angriffs­krieg in der Ukrai­ne und des­sen Fol­gen für die Ener­gie­ver­sor­gung hat­ten der Poli­tik dann aber Druck und gleich­zei­tig Rücken­wind ver­schafft. Das Erneu­er­ba­re-Gase-Gesetz (EGG) wur­de am 15. Febru­ar 2023 im Minis­ter­rat beschlos­sen und soll­te der Bran­che ab Herbst kla­re Zie­le und einen Rechts­rah­men vor­ge­ben. Not­wen­dig dafür ist jedoch noch eine Zwei­drit­tel­mehr­heit im Natio­nal­rat.

Bekannt ist bis dato jeden­falls, dass der Begut­ach­tungs­ent­wurf einen lau­fen­den Aus­bau bis 7,5 Tera­watt­stun­den (TWh) erneu­er­ba­re Gase bis zum Jahr 2030 aus Öster­reich vor­sieht. 2021 waren es ledig­lich 0,14 TWh. Dies soll durch eine Grün­gas-Quo­te erreicht wer­den. Ab 2024 müs­sen Gas­ver­sor­ger nach­wei­sen, dass sie die vor­ge­ge­be­nen Pro­zent­an­tei­le an ver­kauf­tem Gas im Inland durch erneu­er­ba­re Gase sub­sti­tu­iert haben. Für Betrei­ber und Pro­jekt­wer­ber von Bio­gas-Anla­gen gibt es damit neue Per­spek­ti­ven.

Entfernung zur Gasleitung

Eine Bio­gas-Anla­ge mit einer Vor-Ort-Ver­stro­mung darf nicht näher als zehn Kilo­me­ter Luft­li­nie zum nächs­ten Gas­netz lie­gen, die elek­tri­sche Leis­tung der Anla­ge darf höchs­tens 250 kW betra­gen. Sind die­se Vor­aus­set­zun­gen gege­ben, gibt es für den ein­ge­speis­ten Strom eine Markt­prä­mie. Dafür braucht es zwei Ver­trä­ge. Einen mit dem Ener­gie­ver­sor­ger, wo der Strom­preis direkt ver­han­delt wird, und einen zwei­ten mit der EAG-Abwick­lungs­stel­le, wel­che eine Markt­prä­mie aus­zahlt. Der mit dem Ener­gie­ver­sor­ger aus­ver­han­del­te Strom­ab­nah­me­preis beein­flusst die Markt­prä­mie nicht. Wich­tig sind aber die Ver­trags­ge­stal­tung mit dem Strom­händ­ler und die rich­ti­ge Ver­mark­tung.

Bern­hard Stür­mer vom Kom­post & Bio­gas Ver­band schlägt vor, sich auch Gedan­ken über Ener­gie­ge­mein­schaf­ten und die Genos­sen­schaft Our­power zu machen. Liegt eine Gas­lei­tung hin­ge­gen in unmit­tel­ba­rer Nähe des geplan­ten Stand­orts, ist kei­ne Markt­prä­mie vor­ge­se­hen. Der pro­du­zier­te Strom muss aus­schließ­lich über den frei­en Markt ver­kauft oder selbst genutzt wer­den. Die Ein­spei­sung in das Gas­netz macht dann Sinn, wenn eine Gas­lei­tung inner­halb von 10 Kilo­me­tern Ent­fer­nung des geplan­ten Stand­or­tes liegt. Bio­gas, das aus ca. 55 Pro­zent Methan besteht, kann tech­nisch zu Bio­me­than auf­ge­rei­nigt wer­den, dazu braucht es jedoch Inves­ti­tio­nen in eine Gas­rei­ni­gung.

Emp­feh­lens­wert ist laut Kom­post & Bio­gas Ver­band eine Leis­tung von umge­rech­net min­des­tens 750 kW elek­trisch. Sind die not­wen­di­gen Qua­li­täts­an­for­de­run­gen erfüllt, kann das Bio­me­than in das Gas­netz ein­ge­lei­tet wer­den. Kon­sens herrscht in der Bio­gas-Bran­che übri­gens schon lan­ge dar­über, dass zuneh­mend auf Rest­stof­fe von Lebens- und Fut­ter­mit­tel­in­dus­trie und Land­wirt­schaft statt pri­mär auf Mais vom Acker gesetzt wird, wie Betrei­ber von bestehen­den Bio­gas-Anla­gen wis­sen. Eigens ange­bau­te Ener­gie­pflan­zen wer­den zuneh­mend weni­ger ein­ge­setzt.

Chris­ti­an Polz (l.) und Flo­ri­an Nebel sind Bio­gas-Pro­du­zen­ten der ers­ten Stun­de, seit 2001.

Chris­ti­an Polz, Land­wirt aus der Gemein­de Frau­en­tal in der West­stei­er­mark, hat gemein­sam mit Fami­lie Nebel schon 2001 in eine land­wirt­schaft­li­che Bio­gas-Anla­ge inves­tiert. Sie star­te­ten mit Gül­le vom eige­nen Schwei­ne­zucht­be­trieb und vom Mast­be­trieb Nebel. Die­se konn­te dadurch ide­al ver­wer­tet und der Geruch der anfal­len­den Schwei­negül­le im Dorf ver­min­dert wer­den. Heu­te wird die Bio­gas-Anla­ge mit bis zu 40 Kubik­me­ter orga­ni­schem Gemen­ge pro Tag gespeist und lie­fert pro Stun­de maxi­mal 350 KWh und rund 2,5 Mio. kWh Strom pro Jahr.

Ein Vier­tel des zuge­führ­ten orga­ni­schen Gemen­ges ist Schwei­negül­le, zusätz­lich kippt Flo­ri­an Nebel auch Hüh­ner­mist, Mais­sila­ge und Hir­se-Res­te in den Fer­men­ter. Rund 60 bis 70 Pro­zent der orga­ni­schen Mas­se kom­men direkt vom Acker. Wie es mit der Bio­gas-Anla­ge wei­ter­geht? „Nach 20 Jah­ren ohne gro­ße Gewin­ne haben wir damit in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren end­lich etwas Geld ver­dient“, sagt Chris­ti­an Polz. Trotz der kürz­lich geän­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen ist er sich aber nicht sicher, ob die Anla­ge bald erneu­ert oder doch lie­ber ein­ge­stellt wer­den soll.

Die Bio­gas-Anla­ge von Fami­lie Haupt­mann in Bad Blu­mau soll bald erwei­tert wer­den.

Fami­lie Haupt­mann aus Bad Blu­mau betreibt seit 2005 eine Bio­gas-Anla­ge mit einer jähr­li­chen Leis­tung von rund 4,4 Mio. KWh elek­tri­scher und 3,5 Mio. KWh ther­mi­scher Strom- und Wär­me­pro­duk­ti­on. Die Anla­ge hat zwei Fer­men­ter mit 2.500 m² und ein Gül­lela­ger mit 8.200 m² Volu­men. Der in der Bio­gas-Anla­ge erzeug­te Öko­strom wird ins öffent­li­che Netz eige­speist, die Wär­me beheizt vie­le Gebäu­de in Bad Blu­mau. „Und die Abwär­me der Bio­gas-Anla­ge nut­zen wir auch zum Bei­spiel bei der Kür­bis­trock­nung“, sagt Han­nes Haupt­mann. Gespeist wird sei­ne Anla­ge mit rund 50 % Roh­stof­fen aus der Land­wirt­schaft. Dar­über hin­aus kom­men Pro­duk­te wie Grün­schnitt aus Pri­vat­gär­ten, Hagel­mais, Bruch­mais­kör­ner, Grün­schnit­t­rog­gen aus dem Zwi­schen­frucht­an­bau und Wirt­schafts­dün­ger wie Schwei­ne- und Rin­der­gül­le sowie Puten­mist hin­ein. Ange­spro­chen auf sei­ne Absicht, wei­ter zu inves­tie­ren, ant­wor­te­te er: „Sobald das Erneu­er­ba­re-Gase-Gesetz beschlos­sen ist, gehen wir in die Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­pha­se.“ Er kann sich eine Inves­ti­ti­on in Höhe von bis zu 3 Mio. Euro vor­stel­len, denn die Ent­fer­nung zum Ein­spei­se­punkt der Gas­lei­tung beträgt nur 2,8 km. Ihm schwebt künf­tig die Pro­duk­ti­on von Bio­me­than und eine Ver­stro­mung in den Win­ter­mo­na­ten vor.


Wissenswertes zur Genehmigung

Je nach Aus­rich­tung, also Ver­stro­mung vor Ort oder Bio­me­than­ein­spei­sung, und Sub­strat­ein­satz, Rest­stof­fe aus der Land­wirt­schaft, bio­ge­ne Abfäl­le, ist die Bezirks­haupt­mann­schaft oder die Lan­des­be­hör­de für die Geneh­mi­gung zustän­dig.

Jede Bio­gas-Anla­ge muss zumin­dest zwei Fer­men­ter vor­wei­sen, wobei ein Fer­men­ter gleich­zei­tig als Gül­lela­ger aus­ge­führt wer­den kann.

Bestehen­de Gül­lela­ger kön­nen nur ein­ge­schränkt genutzt wer­den, da alle Behäl­ter gas­dicht aus­ge­führt wer­den müs­sen.

Der Bio­gas-Diens­tag ist eine Info-Ver­an­stal­tung vom Kom­post- und Bio­gas­ver­band für Bio­gas-Ein­stei­ger und ‑Inter­es­sier­te. Jeden Diens­tag um 18 Uhr fin­det eine Online-Ver­an­stal­tung statt, die Teil­nah­me ist kos­ten­los, aber nicht umsonst unter www.greengasservice.at/biogas-dienstag

Illus­tra­ti­on: ShDroh­nen­Fly — stock.adobe.com; Fotos: Mar­ti­na Rieberer/ProHektar, Haupt­mann

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