Es muss nicht immer Netflix, Amazon Prime Video oder Apple TV+ sein. Mitunter ein interessantes Programm bietet ein Stream aus einem Schwalbennest am Biohof.
Wie schon in den vergangenen Jahren hat Pannatura, das Agrar- und Forstunternehmen der Esterházy-Gruppe, heuer eine Tierart hautnah gezeigt. Dass diesmal ein Schwalbennest im Fokus stand, war wohl kein Zufall. Die Tierschutzorganisation BirdLife Österreich hat die Mehlschwalbe (Delichon urbicum) zum Vogel des Jahres 2022 gemacht. Begründung: Sie gehört(e) zum typischen Bild und auch zur Geräuschkulisse des besiedelten Raums, ebenso wie die gestreamte Rauchschwalbe (Hirundo rustica), die im Unterschied zur ersteren Art bevorzugt nicht außen auf Gebäuden ihre Nester baut, sondern im Inneren.
Auch in Bauernregeln und Redewendungen haben die Schwalben, von denen in Österreich vier Arten als heimisch gelten, Einzug gehalten: „Zu Maria Geburt fliegen die Schwalben furt – zu Maria Verkündigung kommen sie wiederum“, „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“ und „Wenn Schwalben niedrig fliegen, wird man Regenwetter kriegen“ sind die bekanntesten. Zudem gelten die Tiere als Glücksbringer: Sie sollen das Haus vor Feuer und Blitz sowie das Vieh im Stall vor Krankheiten bewahren. Zweifellos sind Schwalben Nützlinge im Kampf gegen unerwünschte Insekten wie Fliegen und Stechmücken in und um den Stall. „Schwalben verfüttern pro Brut rund 12.000 Insekten, das sind etwa 1,2 Kilogramm, an ihren Nachwuchs und tragen so auch zum Tierwohl bei“, weiß Roman Portisch von der LK Niederösterreich. Sie seien gar eine „biologische Geheimwaffe gegen Fliegen, Gelsen und anderes mehr“.
Weniger gern gesehen sind allerdings ihre Ausscheidungen am Hof, gar im Stall. Um Verschmutzungen durch Schwalbenkot in sensiblen Bereichen zu vermeiden, können Holzbretter unter die Nester gesetzt werden. Mittlerweile ist es aber vielerorts ohnehin still geworden um die Mehl- oder Rauchschwalben und ihre weiteren verwandten Arten, haben sie doch in den vergangenen 25 Jahren immer mehr an Bestand verloren. „Da Schwalben Kulturland und Städte mit Gewässernähe als Lebensräume nutzen und auf feuchte, lehmige Böden angewiesen sind, um Nistmaterial zu finden, macht den Vögeln die zunehmende Trockenheit immer mehr zu schaffen“, weiß man bei Pannatura.
Wegen der Klimaerwärmung und der zunehmenden Bodenversiegelung werde es nicht nur immer schwieriger für die Vögel, Insekten als Futter, sondern auch geeignetes Baumaterial für ihre Nester zu finden, auch die Plätze für den Nestbau würden immer unpassender. „Schwalben nutzen häufig Spalten und Ecken an Gebäuden oder Hausmauern für ihre Nester. Moderne Gebäude werden jedoch zunehmend hygienischer und gepflegter. Bei Sanierungen werden die Schwalbennester enfernt“, kritisieren die Experten.
Für den Schwalben-Stream am Seehof in Donnerskirchen im Burgenland wurde eine kleine Kamera vor Ort installiert, die über mehrere Wochen Live-Bildmaterial vom Brutplatz lieferte. Die unauffällige Kamera hat sichergestellt, dass die Schwalben nicht gestört wurden. „Unser Livestream-Format ist ein wichtiger Bestandteil der von uns umgesetzten Artenschutzmaßnahmen. Er beweist seit mehreren Jahren die problemlose Vereinbarkeit von zeitgemäßer Bewirtschaftung und Naturschutzanliegen“, betont Pannatura-Chef Matthias Grün. Das Bio-Landgut Esterhazy sorgt auch mit einer eigens angelegten „Schwalbenwerkstatt“ – einer durchgehend feuchten, mit Lehm gefüllten Grube – dafür, dass die Tiere stets passendes Nistmaterial finden. Und bei der Sanierung der traditionellen Gebäude wird auch das Nistverhalten der Schwalben berücksichtigt.
Ebenfalls am Hof zu finden ist die „Beetle Bank“, ein Grünstreifen am Ackerrand, der Käfern und anderen Insekten Lebensraum bietet. Immerhin erhielt der Betrieb 2017 für seine sichtbaren Bemühungen und seine nachhaltige Wirtschaftsweise die Zertifizierung mit dem Wildlife Estates Label der „European Landowner Organisation“ (ELO).
Flugtraining für den Waldrapp
In Baden-Württemberg in Deutschland konnte man heuer im Sommer Eigenartiges beobachten: Regelmäßig flog dort ein gelber Gleitschirm mit Motorantrieb, gefolgt von 35 Waldrappen, über Wälder, Felder und Wiesen. Die Zugvögel wurden durch Flugtrainings auf ihre Reise in den Süden vorbereitet. Sie sind Teil eines EU-LIFE-Projekts, das vom Tiergarten Schönbrunn unterstützt und seit 2022 koordiniert wird. Dabei werden in Zoos geschlüpfte Waldrapp-Küken auf zwei menschliche Ziehmütter geprägt und mittels Ultraleichtflugzeugen in ihr Überwinterungsgebiet geführt. So sollen die Tiere ihre Zugroute lernen und in Zukunft selbstständig migrieren.
Ein aufwendiges Unterfangen, das aber wichtig ist: Denn im 17. Jahrhundert wurde der Waldrapp in Europa ausgerottet. Geplante Destination für das Winterquartier war heuer Andalusien, nicht die nähere Toskana. „Durch die wärmeren Temperaturen im Herbst treten die Vögel ihre Reise in den Süden immer später an. An den Alpenpässen finden sie dann keine geeignete Thermik mehr vor. Da Waldrappe auf Aufwinde angewiesen sind, um die Alpen zu überqueren, schaffen es viele Vögel nicht mehr über die Pässe“, erklärt Johannes Fritz, Leiter des Waldrapp-Projekts. Zur Brut sollen die Tiere wieder in das nördliche Alpenvorland zurückkehren, so die Hoffnung der Forscher.
Fotos: Risto — stock.adobe.com, Helena Wehner, Tiergarten Schönbrunn