„Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.“ Als der berühmte Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe diese seine Weisheit zu Papier brachte, beschäftigte die meisten Menschen eher die Sorge, genug zum Essen vorzufinden, als der Wert exotischer Lebensmittel. Mit steigender landwirtschaftlicher Produktion quer durch alle Sparten nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich der agrarische Markt seither vom Nachfrage- zum (Über-)Angebotsmarkt.
Lebensmittel müssen mittlerweile immer öfter einen „Zusatznutzen“ erfüllen, um Absatz zu finden. Schon bald wurden nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben von findigen Marketingexperten benutzt, um Aufmerksamkeit bei den Konsumenten zu erreichen: So wurde „Superfood“, also Lebensmittel, die mehr können als „normale“ Lebensmittel, zum Trend.
Ist das so, weil etwa der traditionellen chinesischen Medizin besonders vertraut wird oder ganz einfach, weil es ganz einfach für den europäischen Gaumen neue Geschmacksrichtungen sind? Gerade exotische, allen voran asiatische Lebensmittel haben innerhalb kurzer Zeit große Marktanteile erobert. Acai, Chia, Goji, Haskap, Maqui, Moringa oder Spirulina – die Bandbreite dieser Exoten wächst, gemeinsam zeichnen sie sich meist durch einen hohen Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen aus. Was jedoch meist außer Acht gelassen wird: Deren gesundheitlicher Mehrwert ist im Vergleich zur Vielzahl an heimischem Gemüse und Früchten nicht gegeben. Dazu kommt, dass behauptete gesundheitsfördernde Eigenschaften einiger Superfoods wissenschaftlich oft nicht belegt sind. Weiters können sie aufgrund niedrigerer Standards in ihren Herkunftsländern mit Schadstoffen belastet sein und sind im Vergleich zu Gemüse und Früchten aus Österreich ziemlich teuer.
Vorsicht bei Werbeversprechen
Auch bergen „exotische“ Lebensmittel immer ein gewisses Restrisiko, Überempfindlichkeitsreaktionen oder gar Allergien auszulösen. Generell ist also Vorsicht bei Werbeversprechen geboten, durch Superfood gesünder, fitter oder schlanker zu werden. Sind Lebensmittel mit Mehrwert jedoch Bestandteil einer nachhaltigen, ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung, können sie durchaus einen positiven Einfluss auf unsere Gesundheit haben.
Außerdem sollte noch mit einem weiteren Mythos aufgeräumt werden: Lebensmittel müssen keinesfalls weit gereist sein, um als Superfood zu gelten. Vielmehr gibt es viele heimische Alternativen, die in ihrer Dichte an gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen ihren exotischen Mitbewerbern durchaus das Wasser reichen können. Dazu sind sie meist günstiger, wachsen im eigenen Garten oder sind aus regionalem Anbau erhältlich und schonen zudem durch kurze Transportwege die Umwelt, ein gerade in Zeiten der Klimakrise besonders wichtiger Faktor.
Leinsamen statt Chiasamen
Der Anteil an Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen ist bei heimischem Leinsamen gleich hoch wie bei Chiasamen. Dazu enthält der Lein mehr wertvolles Eiweiß. Schwarze Ribisel oder Sanddorn statt Goji-Beeren Der Vitamin-C-Gehalt von Johannisbeeren und Sanddorn ist weit höher als von Goji-Beeren. Dazu kommt, dass die heimische Alternative oft frisch erhältlich ist und dadurch mit viel geringerem Zucker- (und damit Kalorien-)Gehalt überzeugt.
Blaues Obst/Gemüse statt Acai‑, Haskap- oder Maqui-Beeren
Acai‑, Haskap- und Maqui-Beeren haben es aufgrund ihres hohen Gehalts an Anthocyanen (das sind sekundäre Pflanzenstoffe) ins Reich der Superfoods geschafft. Dabei handelt es sich um rote, blaue oder violette Pflanzenfarbstoffe, die den Körper vor Oxidationsprozessen schützen sollen. In rotem, blauem oder violettem heimischem Obst und Gemüse wie Rotkraut, Holunderbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren oder blauen Weintrauben sind diese Pflanzenstoffe jedenfalls in gleich hohen Mengen enthalten.
Walnüsse statt Avocados
Der Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist in Walnüssen ungleich höher als in Avocados. Die heimische Alternative besticht auch durch ihre längere und einfachere Lagermöglichkeit im Vergleich mit der weit gereisten Avocado.
Hirse und Hafer statt Quinoa:
Quinoa wird zwar auch in unseren Breiten kultiviert, die Hauptanbaugebiete liegen jedoch in Peru, Bolivien und Ecuador. Beim Einkauf heißt es daher, genau darauf zu achten, wo das Lebensmittel herkommt. Bevor zur importierten Ware gegriffen wird, gelten Hirse oder Hafer als heimische Alternativen. Beide Getreidesorten sind ebenfalls glutenfrei und haben einen ähnlichen Proteingehalt. Allerdings ist in Hirse dreimal so viel Eisen enthalten wie in Quinoa.
Spinat statt Spirulina:
Besonders der hohe Anteil an Chlorophyll und Eiweiß sowie ein hoher Vitamin-B12-Gehalt sollen, so die Werbung, Spirulina zum Superfood machen. Wie Experten betonen, enthält grünes heimisches Gemüse (roh oder gekocht) mehr Chlorophyll als Spirulina. Das in Spirulina enthaltene Vitamin B12 könne zudem zu 80 Prozent nicht vom menschlichen Körper verwertet werden. Außerdem bindet Spirulina Eisen, was zu einer Eisenunterversorgung führen kann.
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