Der ökonomische Druck, die Verantwortung für Mensch und Tier, Wetterextreme, die teils komplexe Bürokratie und die ausgeprägten gesellschaftlichen Erwartungen machen den Beruf Landwirt zu einer Herausforderung, bei dem die psychische Gesundheit oft auf der Strecke bleibt.
Tiere quälen, zu hoher Methanausstoß oder das Grundwasser und den Boden vergiften – die Liste von Vorwürfen, die der bäuerlichen Berufsgruppe seitens kleiner Randgruppen in der Gesellschaft zugeschanzt wird, scheint endlos. Diese permanente Kritik von außen am eigenen Tun kann eine besonders schwerwiegende psychische Belastung zur Folge haben, wie auch die medial ausgetragenen „Tierskandale“ einmal mehr verdeutlicht haben. Oftmals ist eine psychische Erkrankung der Betriebsführer Auslöser für menschliches Versagen und die Vernachlässigung von Tieren. „Nur wenn es den Menschen gut geht, geht es dem Betrieb gut“ ist auch das Motto des LFI-Webinars zum Schwerpunkt „Ressource Mensch: Überforderung, Depression und Suizidalität“. Oft warten Betroffene viel zu lange ab. Zu spät suchen sie Hilfe.
Genau wie bei körperlichen Leiden gilt auch für psychische Erkrankungen, dass Vorsorge und Früherkennung eine entscheidende Rolle im Krankheitsverlauf spielen. Hinzu kommt, dass Entlastungsmaßnahmen wie etwa Arbeitspausen in Krankheits- oder Sorgefällen oft nicht möglich sind. Großes Konfliktpotenzial gibt es außerdem, wenn mehrere Generationen unter einem Dach leben. Das stellt Betroffene psychisch oft auf einen Prüfstand, lang anhaltender Stress, Konflikte und Ängste können in weiterer Folge zu Krankheitsbildern wie Burnout und Depression führen.
Lebensgefährliches Tabuthema
Fast jedem Suizid geht eine psychische Erkrankung voraus. Unter europäischen Landwirten ist die Suizidrate deutlich höher als unter anderen Berufsgruppen. Während die Rate gesamtgesellschaftlich seit den 1980er-Jahren sinkt, scheint sie unter Landwirten zuzunehmen. Das zeigt etwa eine französische Untersuchung; jeden zweiten Tag nimmt sich in Frankreich ein Landwirt oder eine Landwirtin das Leben. Auch in der Schweiz ergab eine Studie, dass die Suizidgefährdung bei Landwirten um 37 Prozent höher ist als bei anderen Männern innerhalb der ländlichen Bevölkerung.
„Die meisten Gespräche enden mit Aussagen wie 'Danke, das hat mir sehr geholfen. Ich probiere das mal aus.“ Birgit Bratengeyer, Bäuerliches Sorgentelefon
Das Suizidrisiko ist allgemeingesellschaftlich für Männer bedeutend höher als für Frauen, in Österreich etwa ist die männliche Suizidrate dreimal höher als die der Frauen. Das liegt vor allem an dem Irrglauben, dass Männer immer stark sein müssen und keine Schwächen zeigen dürfen. Dieser Druck ist auch in der Landwirtschaft besonders hoch: Wenn der Beruf eine Lebensaufgabe ist, werden Schwächen schnell als Scheitern beurteilt. Zwar liegen keine genauen Daten für österreichische Landwirte vor, im Jahr 2021 starben in Österreich jedoch 1.099 Personen durch Suizid, das sind mehr als dreimal so viele wie im Straßenverkehr.
Externe Hilfe holen
In Österreich ist seit 15 Jahren das Bäuerliche Sorgentelefon eine niederschwellige erste bundesweite Anlaufstelle. Die psychosozial geschulten Ansprechpartner hören zu und helfen beim Finden von Lösungsmöglichkeiten. Bei jedem dritten Anruf handelt es sich um Konflikte zwischen Generationen oder mit dem jeweiligen Partner, auch Probleme bei Hofübergaben und ‑übernahmen kommen häufig vor. „Die meisten Gespräche enden mit Aussagen wie ‘Danke, das hat mir sehr geholfen. Ich probiere das mal aus’“, weiß Birgit Bratengeyer, Projektleiterin der Initiative „Lebensqualität Bauernhof“, welche die anonyme Hotline betreut. Über Probleme zu reden, ist der erste Schritt in Richtung Besserung.
Hotlines und Hilfsangebote
Bäuerliches Sorgentelefon: Österreichweite, anonyme, schnelle Hilfe: 0810 676 810,
Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.30 Uhr; www.lebensqualitaet-bauernhof.at
Telefonseelsorge Österreich: Telefon‑, E‑Mail- und Chat-Beratung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen oder Krisenzeiten: 142 (Notruf), täglich 0 bis 24 Uhr; www.telefonseelsorge.at
Frauenhelpline: Rund um die Uhr Informationen, Hilfestellungen, Entlastung und Stärkung bei Gewalt gegen Frauen – auch in Akutsituationen: 0800 222 555; www.frauenhelpline.at
Männernotruf: In Krisen- und Gewaltsituationen österreichweit rund um die Uhr eine erste Ansprechstelle für Männer in Krisen: 0800 246 247; www.maennernotruf.at
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