Jeden Tag verschwinden in Österreich 11,5 Hektar fruchtbare Böden unter neuen Gebäuden, Straßen oder Parkplätzen. Auch gegenwärtige Grund- und Kommunalsteuer sind laut Wirtschaftsforschungsinstitut ein Anreiz für die Verbauung – der es entgegenzusteuern gilt.
Wer mit offenen Augen durch das Land fährt, kennt sie zur Genüge: die wachsende Zahl an Gewerbezentren, die am Rande der Ortschaften auf „grünen Wiesen“ entstanden sind: neue Supermärkte, Bau- und Möbelhäuser, Produktions- und Lagerhallen, umgeben von riesigen Asphaltarealen, verbunden durch immer neue Straßen, Zufahrten und Kreisverkehre. In Öster-reich wird das Maximum an denkbarem Bodenverbrauch ausgenutzt. Kein Land in der EU hat eine so hohe Supermarktdichte, was nicht nur die darin angebotenen Lebensmittel verteuert. Im Sommer verwandeln sich die Betonflächen in Hitzeinseln, die Verbauung befeuert auch die Auswirkungen von Extremwetterfolgen wie Überschwemmungen und Dürre.
Es besteht Handlungsbedarf
Es bestehe unverzüglicher Handlungsbedarf, um gegenzusteuern, warnt mittlerweile seit Jahren Kurt Weinberger, Chef der Österreichischen Hagelversicherung, der über die Folgen von Schäden durch Naturgefahren in der Landwirtschaft ein trauriges Lied singen kann. Die Folgen von ungebremstem Bodenfraß sind Agrariern wie ihm bekannt. Die Versiegelung führt nach Unwettern mehr und mehr zu Flutereignissen, fruchtbare Böden und satte Wiesen werden seltener, die verbliebenen Agrarflächen für die Produktion auch immer teurer. Mittlerweile prognostiziert auch Österreichs oberster Wirtschaftsforscher, Gabriel Felbermayr, „einen massiven Wohlstandsverlust“ (nicht nur für die Landwirte), wenn in Sachen Bodenverluste nicht bald gegengesteuert wird. Indes wird munter weiter verbaut und Böden werden damit auf ewig versiegelt.
„Der Boden ist das höchste Gut. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann haben wir in 200 Jahren keine Agrarflächen mehr.“ Kurt Weinberger
Weinberger sieht längst auch die nationale Lebensmittelhoheit bedroht, nachdem in den vergangenen zwei Jahrzehnten österreichweit die Agrarfläche des Burgenlands unter Neu- und Straßenbauten verschwunden ist. Weinberger: „Von Beton können wir jedenfalls nicht abbeißen.“ Dabei stehen laut Hagelversicherung Immobilien auf 40.000 Hektar oft seit vielen Jahren leer. Das wiederum habe auch mit einer fehlgeleiteten Steuerpolitik zu tun, sind sich der Versicherungs-boss und der Wirtschaftsforscher einig.
Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs
Im Auftrag der Hagelversicherung erstellte daher die Wifo-Expertin in Steuerthemen, Margit Schratzenstaller, eine Studie über „Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Österreich“. Deren Ergebnis: „Eine Reihe bestehender Steuern wie Grund- und Kommunalsteuer sind ein Anreiz, ja sogar ein Impulsgeber für Verbauung und Bodenverbrauch“, sagt Schratzenstaller. Das sei „weder ökonomisch noch sozial vernünftig und geht auch zulasten der Umwelt“. Eine dringend notwendige Strukturreform könne dagegen „eine Mehrfachdividende bringen: Indem man die bodenvernichtenden Gemeindesteuern adaptiert, erzielt man positive Umwelteffekte“.
„Eine Reihe bestehender Steuern sind ein Anreiz, ja sogar ein Impulsgeber für Verbauung und Bodenverbrauch.“ Margit Schratzenstaller
Die Steuerfachfrau erhofft sich daher von der Bundesregierung (die übrigens schon seit vielen Jahren eine Eindämmung der Bodenversiegelung auf 2,5 Hektar pro Tag erfolglos anvisiert) „eine im wahrsten Sinne des Wortes bodenständige Reform“. So könne eine verpflichtende Teilung des kommunalen Steueraufkommens helfen, Anreize für Umwidmungen durch Bürgermeister auf der Suche nach mehr Geld zu verringern und Zersiedelung einzudämmen. „Gegenwärtig werden ja bauwütige Gemeinden mit ihren Gewerbeparks über die Kommunal- und Grundsteuer belohnt. Dabei sollen besser bodenschonende Gemeinden honoriert werden.“
Felbermayr nennt als weiteres Beispiel auch die Einführung einer bundesweiten Leerstandsabgabe auf die genannten ungenützten Immobilien. Mit den Mehreinnahmen ließe sich die Grunderwerbsteuer senken, welche die effiziente Verwendung von Grund und Gebäuden behindert. Felbermayr: „Beim Bodenverbrauch haben wir es selbst in der Hand.“ Es handle sich schließlich um ein rein nationales Umweltproblem. „Es bringt also nichts, die Schuldigen fernab der nationalen Grenzen zu suchen.“ Letztendlich brauche es aber quantitative Messgrößen, um die Verbauung einzudämmen.
„Beim Bodenverbrauch haben wir es selbst in der Hand. Es handelt sich schließlich um ein rein nationales Umweltproblem.“ Gabriel Felbermayr
Kurt Weinberger ist überzeugt: „Die Kommunalsteuer steuert falsch. Es braucht beim Bodenverbrauch einen Maßnahmenmix nach den Prinzipien Vermeiden, Wiederverwerten und Intensivieren.“ Er meint, die Kommunalsteuer müsse als Bundessteuer eingehoben und im Zuge des Finanzausgleichs auch an ökologische Kriterien gekoppelt verteilt werden. „Weiters muss das jetzige zahnlose System der Flächenwidmungsabänderung auf Landesebene durch einen weisungsfreien Raumordnungsbeirat, der für die Gemeinden die Umwidmungen genehmigt, effizienter und unabhängiger geregelt werden.“
Eine aus Sicht des Top-Managers wichtige steuerliche Maßnahme wurde im Zusammenhang mit dem Leerstand von der Bundesregierung im Juli durch eine Änderung von § 6 Einkommensteuergesetz schon umgesetzt: „Wird nun ein leer stehendes Betriebsgebäude eines Gewerbe- oder Landwirtschaftsbetriebes wegen Betriebsaufgabe vermietet, erfolgt die Überführung dieses Gebäudes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen – wie auch bei Grund und Boden – zum Buchwert, statt wie bisher zum Teilwert. Es müssen aber weitere konkrete Maßnahmen gesetzt werden, um die Lebensmittelhoheit im eigenen Land zu bewahren.“ Alles andere wäre vergleichbar mit einer gesetzlichen Regelung, mit der die Anzahl der Verkehrstoten durch Raserei reduziert werden sollte, dabei aber auf das Tempolimit vergessen und nur an die eigene Vernunft appelliert wird.“
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